„Schlecht essen kann man auch zu Hause”

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Gourmetkritiker Robert Krebs testet seit 30 Jahren Hamburgs Restaurants. Sein aktuelles Urteil fällt für einige vernichtend aus.

Restauranttester Robert W. Krebs steht auch heute noch im Ring. Wie damals, als er ein erfolgreicher Kickboxer war. Nur dass seine Schläge nicht mehr mit Fäusten und Füßen erfolgen, sondern mit Worten und vernichtenden Sätzen. Der Gourmetkritiker teilt noch immer gern aus. Da kennt er weder Freund noch Feind. Doch inzwischen geht es ihm nicht mehr um Sieg und Niederlage bei Europameisterschaften. Es geht ihm um kulinarischen Fortschritt und mehr Qualität am Herd.

In seinem neuen Hamburger Restaurantführer hat er insgesamt 60 Häuser unter die Lupe genommen - vom „Atlantic” bis zum „Waterkant”, von der City bis zu ausgewählten Restaurants im Umland. Wo es ihm ausgezeichnet gefällt, vergibt er - höchst selten - fünf Krebsmützen. Im schlimmsten Fall droht ein vernichtendes verbales Urteil. Wie für das „Broscheks Restaurant” im „Renaissance” Hotel: „Schlecht essen können wir auch zu Hause!”

Seit 30 Jahren ist der gelernte Küchenmeister als Restaurantkritiker in ganz Deutschland unterwegs. „Bild” nannte ihn einmal den „schreibenden Schlemmer-Detektiv”. Dabei hat er mehr als 4000 Häuser kennengelernt und Speisen und Getränke im Wert von 1,2 Millionen Euro verzehrt. Dass sich das irgendwie negativ auf sein Gewicht ausgewirkt hätte, sieht man dem 1,90 Meter-Mann nicht an. Allerdings trägt er gern Schwarz.

Robert Krebs lässt sich in der Wohnhalle des „Vier Jahreszeiten” eine heiße Schokolode servieren. Und erzählt, wie er als Koch anfing in Hamburg und Göteborg, in Stockholm - damals, als die Voraussetzungen für den Berufsabschluss noch strenger waren als heute. „Von 80 Köchen fielen 60 durch.” Einmal kochte er sogar für das schwedische Königshaus, berichtet er stolz.

Doch irgendwann erkannte Robert Krebs, dass es nicht sein Ding ist, 14 Stunden täglich hinter dem Herd zu stehen. Und so wechselte er von der Küche an den Tisch im Restaurant, sattelte vom Koch zum Gastro-Kritiker um. Von 1982 bis 1996 stand er in Diensten des Aral-Schlemmer-Atlas. „Als Cheftester hatte ich dort 34 Mitarbeiter.” Später folgte ein Engagement für den Großen Bertelsmann. „In all den Jahren habe ich soviel Lamm gegessen, dass ich bald meckere”, witzelt Krebs. Und schiebt den Teller mit Schlagsahne zur Seite, die ihm der Kellner zur heißen Schokolade gereicht hatte.

Die Anfänge als Tester, erzählt er weiter, waren gar nicht so einfach. Mit dem Zug in die Provinz fahren, zum Beispiel nach Braunschweig. Und dort die Abendkarte testen. „Schlechter kann man nicht essen”, lautete sein Urteil nach dem üppigen, aber ungenießbaren Mahl. In der Nacht ging es wieder mit dem Zug nach Hamburg zurück.

Krebs aber boxte sich essend und schreibend nach oben. Bis er die Besten der Besten testen durfte. Rund 80 Mal, schätzt er, war er bereits in der „Traube Tonbach” in Baiersbronn. Dort, wo mit Harald Wohlfahrt einer der besten Köche Europas die Gourmets verwöhnt.

Hamburg, fügt Krebs, hinzu, müsse sich da nicht verstecken. „Die Hansestadt hat bundesweit die größte gastronomische Breite.” In den meisten Restaurants stimme das Preis-Leistungsverhältnis. Der strenge Kritiker lobt zum Beispiel das „Fillet of Soul” in der Deichtorstraße mit seinem Mittagstisch und Gerichten zwischen sechs und 9,50 Euro. „Geschmacklich ein Volltreffer war die Kohlroulade auf Kartoffelpüree und Röstzwiebeln mit Altbier Specksoße. Die 70er-Jahre lassen grüßen”, sagt er.

Für das Dinner empfiehlt der Mann, der sich selbst „Mr. Gnadenlos” nennt, zum Beispiel das „Le Canard”. Alles, was da von den Weißmützen auf der Tafel serviert werde, sei ohne Fehl und Tadel.

Mit elf der 60 in seinem „Robert-Krebs-Report” getesteten Restaurants ist er freilich gar nicht zufrieden. Da stimmten weder Ambiente, Service, Optik der Speisen und ihr Geschmack. „Die Küchenleistung wird keinen Feinschmecker vom Hocker reißen”, lautet sein Fazit nach dem Besuch im Restaurant „Le Ciel” in der Top-Etage des Fünf-Sterne-Hotels „Meridien” an der Außenalster. Über sein kulinarisches Erlebnis im persischen Restaurant „QASR” in Eilbek schreibt er: „Das Glasnudeleis entpuppte sich als gefrorene Nudeln, die aufgetaut zu harten Nudeln und Eiswasser wurden.” Und vom „DaCaio" im „The George-Hotel” (Barcastraße) heißt es: „Das Kalbsscaloppino lag wie eine Schuhsohle auf dem großen Teller.”

In solchen Momenten, sagt er, jucke es ihm in den Fingern. „Du siehst, wie beknackt die rumlaufen - und kannst nichts machen.” Am liebsten würde er dann wieder in den Ring steigen und die Köche auf Trab bringen. Sagt er und klopft sich auf die Schultern: „Ich habe in meiner Laufbahn rund 40 Restaurants beraten. 70 Prozent von ihnen haben später einen Stern bekommen. Ich weiß schon, wo es langgeht und wie man nach vorn kommt.”
Wer so hart austeilt, kocht bestimmt selbst und vor allem hervorragend? Robert Krebs weicht in seinem Sessel in der Wohnhalle des „Vier Jahreszeiten” zurück und stellt klar: „Das ist privat.” Jedes Wochenende koche er für sich und seine Freundin. Am liebsten verwendet der schreibende Gourmet regionale und saisonale Zutaten. Erdbeeren mitten im Winter? „Die schmecken doch dann nicht.”

Doch lange in der Küche stehen will er dabei nicht. Zu schlecht sind seine Erinnerungen daran, als er früher in mehr als 60 Grad heißen Küchen schuften musste. „Wenn ich heute koche und das länger als 30 Minuten dauert, werde ich sauer.”